Pont-Aven gehört zweifellos zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der Bretagne. Das vor allem, weil hier ausnahmsweise nicht Naturschönheiten oder ein architektonisches Ensemble im Vordergrund stehen. (Obwohl die Natur rund um Pont-Aven und auch das Städtchen an sich eine Reise wert wären.) Der Ort in der südlichen Finistère, gelegen zwischen Concarneau und Quimperlé verdankt seine Berühmtheit der Künstlerkolonie, die hier in den 1880er Jahren neue Horizonte der modernen Malerei erkundete. Bekanntester Vertreter der “Schule von Pont-Aven” ist mit Paul Gauguin einer der prominentesten Erneuerer der bildendenden Kunst des 19. Jahrhunderts.
Echte Kunst in authentischer Landschaft
Was nun reizte Gauguin, der zwischen 1888 und 1891 in Pont-Aven lebte und arbeitete an der Bretagne? Er floh, wie andere Künstler auch, vor Industrialisierung und Zivilisation. Die Bretagne galt ihm als Inbegriff einer verloren gegangenen Authentizität und die einfachen Menschen als ein Ideal von Religiosität und Verbundenheit mit der Natur. Bevorzugte Motive der Gemälde von Gauguin und anderen Vertretern der Schule wie Émile Bernard, Paul Sérusier oder Emile Schuffenecker waren daher Bäuerinnen und Bauern in traditioneller bretonischer Tracht, gemalt in alltäglichen Situationen oder religiös aufgeladenen Szenen.
Gauguin und Co. verwendeten überwiegend ungemischte, leuchtende Farben. Schattierungen finden sich kaum, flächige, klar abgegrenzte Elemente beherrschen die Gemälde. In klarer Abgrenzung zum Impressionismus ging es den Malern von Pont-Aven nicht darum, die Natur zu kopieren. Konsequenterweise spielen realistische Perspektiven und Proportionen nur eine untergeordnete Rolle.
Und auch der Ort der Erschaffung des Kunstwerkes spiegelt dieses Kunstverständnis. Im Gegensatz zu den Impressionisten entstanden die Gemälde nicht in der Natur. Vielmehr war es den Künstlern wichtig, das Gesehene, Empfundene zu abstrahieren, anzureichern und umzuformen und auf diese Weise etwas völlig Neues, ein in ihrem Sinne echtes Kunstwerk, zu erschaffen. Das hieß auch ganz konkret: Malen im Atelier bzw. in den Zimmern der Hotels und Herbergen von Pont-Aven und Le Pouldu, in denen die Künstler abstiegen.
Spuren der Künstler
Zu einiger Berühmtheit brachten es die Pension Gloanec und die Auberge de Marie Henry als Unterkünfte, Treffpunkt und Inspirationsquelle. In beiden Häusern wohnten Gauguin und sein Kreis nicht nur gut und vor allem günstig, die Gastgeber waren auch Gegenstand von Gemälden. Heute beherbergt das Haus der ehemaligen Pension Gloanec am zentral gelegenen Place Paul Gauguin in Pont-Aven einen Buchladen, die Auberge in Le Pouldu ein kleines Museum.
Gauguin verließ die Bretagne und Frankreich im Jahre 1891, ab 1896 verlor Pont-Aven als Kunstzentrum zunehmend an Bedeutung. Die Bezeichnung “Schule von Pont-Aven” als Obergriff für die Werke, die seinerzeit in der Süd-Finistère entstanden, wurde der Gruppe erst im Nachhinein verliehen.
Heute zeigt neben dem kleinen Museum in Le Pouldu das Musée des Beaux-Arts in Pont-Aven Werke und Geschichte der Schule. Viele der berühmten Bilder hängen allerdings in berühmten Museen auf der ganzen Welt. Wo sie auch ausgestellt sind, die Gemälde leuchten noch heute von innen und strahlen eine einzigartige Vitalität aus.